Maike: Verena, Du leitest bei uns die Selbsthilfegruppe für Geburtstraumata, kannst Du mal beschreiben, was man eigentlich unter Geburtstrauma versteht?

Verena: Ein Trauma ist im Grunde eine Wunde, die noch nicht verheilt ist. Weil jeder Mensch aber unterschiedlich ist und seine eigene Geschichte mitbringt, ist auch ein Trauma etwas ganz Individuelles. Im Zusammenhang mit der Geburt kann das zum Beispiel bedeuten, dass die Frau physischen oder psychischen Druck erfahren hat. Vielleicht ist aber auch einfach alles ganz anders gelaufen als erwartet oder die Frau steckt in einer Identitätskrise und fühlt sich in ihrer Rolle als Mutter noch nicht angekommen. Oder sie bemerkt gerade, dass sie ihre alten Schutzstrategien aus dem Alltag (Arbeiten, Putzen, Sport o.ä.) nicht mehr anwenden kann und fühlt sich haltlos.


Maike: Und wie kannst Du dann helfen?

Verena: Das Wichtigste ist erstmal, dass die Frau sich im Austausch mit mir ihrer Gefühle bewusst werden kann. Oft handelt es sich um Gefühle von Schuld, weil sie sich zum Beispiel denkt “alles wäre besser, wenn ich mich anders entschieden hätte, anders fühlen würde, anders gehandelt hätte…”. Durch das Bemerken und Aussprechen der Gefühle, hilft sich die Frau selbst - ich bin einfach nur bei ihr und begleite sie. Ein sehr bewährtes Tool, um die festsitzenden Gefühle zu befreien, ist es, wenn

die Frau Briefe schreibt! An das Klinkpersonal, die Mutter, den Partner oder wen auch immer. Diese schickt sie nicht ab, sondern liest sie mir vor - alleine das wirkt sich unglaublich befreiend aus. Diese Momente sind immer super emotional.


Maike: Können sich denn auch Frauen helfen lassen, ihr Geburtstrauma aufzuarbeiten, bei denen die Geburt etwa Jahrzehnte zurück liegt?

Verena: Absolut! Bei meiner letzten Frau lag die Geburt 16 Jahre zurück. Wenn auch lange Zeit später immer wieder Selbstzweifel auftauchen, kann das so wohltuend sein.


Maike: Was könnte in Deinen Augen die wichtigste Vorbereitung auf eine Geburt sein?

Verena: Sich mit seinen eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen und sich klar zu machen: Alles darf sein! Jedes Gefühl ist erlaubt, alles darf Raum haben. Angst, Überforderung und Traurigkeit dürfen genau so da sein wie Freude und Liebe.